Einmal HB-Männchen für Zwischendurch

Auf meiner Reise nach Miyazaki machte ich einen kleinen Zwischenstopp in Nara, einer der ältesten und historisch bedeutendsten Städte Japans. Es gibt zahlreiche wunderschöne Tempelanlagen, Gärten und Parks, von Freunden bekam ich quasi einen Exklusiv-Rundgang zu den schönsten Plätzen. Nara ist auf jeden Fall einen Besuch wert und sollte bei keiner Japanreise vergessen werden.

Am nächsten Tag bin ich dann von dort zum Flughafen und hatte einige Zeit am Bahnhof zwecks Wartens auf meine Verbindung zu überbrücken. Und da fiel mir folgendes, mal wieder, aber selten so exemplarisch, ins Auge.

Also in Nara gibt es ein recht altes, historisches Bahnhofsgebäude, das wirklich ganz gelungen ist:

nara_alt1

Nett anzusehen, oder? Allerdings ist es natürlich heutigen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Deswegen hat man sich entschieden ein neues, größeres, schöneres, tolleres Bahnhofsgebäude zu bauen:

nara_neu

Und wie gesagt, daß ist eine Stadt, deren Haupteinnahmequelle unter anderem der Tourismus ist.

Das ist so eine grundsätzliche Sache: Japanische Häuser sind technisch etwa auf dem Niveau von… nach dem Krieg oder so. Der technologische Fortschritt hat bei japanischen Häusern auf jeden Fall in etwa zu der Zeit aufgehört.

Sicherheit… Die neuen Häuser sind natürlich alle erdbebensicher. Da hat sich wirklich was getan. Was eine gewisse, mir nahestehende Person folgendermaßen kommentierte: „Also Du weißt schon, daß das absoluter Quatsch ist?“ [1]

Wenn es richtig bummst, dann bummst es richtig.

Zurück zu japanischen Häusern: Also so eine üble Scheisse hab ich selten gesehen. War es in „Goodbye Lenin“, oder wo war es, als jemand über die DDR sagte: „Alles war so unendlich grau!“

Willkommen in Japan. Da ist zuerstmal, daß japanische Gebäude wie dahingerotzt und deplaziert rumstehen. Das Stadtbild interessiert keine Sau. Wieso sollte man sich auch langfristig Gedanken machen? Die Gebäude werden sowieso nach 15-30 Jahren abgerissen und neugebaut.

Also nicht, daß man denken würde, es sei heruntergekommen, verdreckt oder kaputt. Solche Viertel mag es auch geben, ist aber eher die Ausnahme. Nein, es ist einfach von vornherein so, daß Architektur hier heißt, das man einen viereckigen Betonklotz dahinstellt. Historische Bausubstanz gibt es, außer in wenigen Vierteln in wenigen Städten so gut wie nicht.

Meine „Home-Town“ gilt als eine solche historische Stadt. Konkret heißt das, das ein paar alte, schön anzusehende Holzhäuser in einem Viertel stehen. Das war’s. Mehr nicht. Der Rest sieht in etwa aus wie der Dortmunder Norden. Wobei, eigentlich ist die Architektur dort abwechslungsreicher.

Der zweite Punkt ist, daß japanische Häuser wie gesagt technisch einfach größter Schrott sind. Ein Haus bekommt man nach mir zugetragenen Informationen vielleicht für 30.000€ auf dem Land. Und nein, da fehlt keine Null (ich kann das natürlich nicht nachprüfen, unglücklicherweise reicht mein Studentendasein ganz knapp zum Immobilienbesitz nicht aus). Und ein 15 jähriges Haus + Grundstück bekommt man in etwa zum Preis des Grundstücks, das Haus quasi umsonst – weil man davon ausgehen kann, daß es verrotteter Schrott ist.

Japaner wollen neue Häuser und wie baut man am schnellsten und preiswertesten neue Häuser? Genau, indem man die billigsten Materialien verwendet. Träger, zweimal Sperrholz, dazwischen ein bisschen Isomaterial (bloß nicht zu viel!), Dach drauf und fertig. Keller? Was ist das? Heizung? Japanische Heizung = mit Öl, Gas oder Strom betriebener Heizlüfter. Die übrigens vortrefflich dazu geeignet sind, sich durch Kohlenmonoxidvergiftung umzubringen.

So kommt es dann, daß es, wenn ich in meinem, 1990 errichteten Studentenwohnheim morgens aufwache, im Zimmer ca. 4 bis 6 Grad heiß ist. Heize ich die Wohnung auf wohnbare 15 Grad oder so auf, gehe 30 min. spazieren und komme wieder: Back to default. 6 Grad.

Wieso? Einfachverglasung, nicht exakt abschließende Schiebetüren statt fest-schließender europäischer Türen, kein Isoliermaterial in den Wänden. Man heizt für draußen.

Das gleiche Spiel wiederholt sich dann im Sommer: keine Isolierung, also laufen statt den Heizern die Klimaanlagen auf Hochtouren.

Aber da muss man doch was machen! Genau. Und die japanische Regierung macht auch was: Cool Biz und Warm Biz.

Bekämpft Symptome, nicht Ursachen!

Manchmal denke ich, gibt es doch so etwas wie ein „kulturelles Gedächtnis“, ein „Gedächtnis der Generationen“. Ich behaupte, jeder Deutsche würde einfach sofort sagen, daß ist „nicht ordentlich“. Oder „nicht vernünftig“. „Nicht solide“. Kann dieses Gefühl schlecht beschreiben. Aber ihr wisst, was ich meine. Das äußerst sich in so Blogpostings wie diesem.

Der erste, der mir so einen Eintrag in einem beliebigen japanischen Blog präsentiert, bekommt 10 Gummipunkte. Viel Erfolg!

Zuletzt noch ein paar Beispiele für „Das geht doch nicht!“ (Bitte den Raab-Nippel dazudenken):

waschmaschine„Du, Hashimoto. Ich hab beim Design der Waschmaschine ganz vergessen, nen Stecker mit Schutzkontakt in die Specs zu packen. Was machen wir denn jetzt? Das Ding ist produziert und kurz vor der Auslieferung?“

„Ach das ist doch überhaupt kein Problem. Wir machen einfach ne kleine Notiz im Handbuch und legen ein Stück Kupferleitung bei. Soll der Techniker vor Ort dann per Hand dranfummeln. Und wenn nicht ist auch egal. Gehäuse ist aus Plastik, passiert schon nix.“

schreibtisch„Du Hashimoto, irgendwie haben wir zuwenig Kabelschacht. Aber der Informatiker, der da später mal am Schreibtisch sitzen wird, der braucht doch seine Steckdosen. Was machen wir denn da jetzt?“

„Hm, entweder nachbestellen, bei dieser Firma, Obo oder so oder… ach, das paßt schon. Kleine Kabelklemme und drangefummelt. Wer guckt den bitte schon _unter_ seinen Schreibtisch?“ (fotografiert unter meinem Schreibtisch)

uberland„Du Hashimoto, schau mal. Wieder ein Haus dran. Tagwerk getan. Wie findest Du es?“

„Also ich finde, es sieht toll aus. Die Leitungen korrespondieren hervorragend mit der hübschen Fassade des Hauses im Hintergrund. Man sieht gleich, daß es eine gehobene Wohngegend in der Nähe des Bahnhofs ist, nicht?“

Achja. Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen. Wie ich schon die ersten Stimmen höre. „Wieso hasst Du Japan eigentlich so, D.?“ 🙂

[1] Da bin ich besonders stolz drauf, denn ich kann mir nur eine Person vorstellen (eine mir noch sehr viel näher stehende Person) von dem diese Redewendung abgeschaut wurde.

Eine Antwort to “Einmal HB-Männchen für Zwischendurch”

  1. Alex Says:

    Das Verb „hinrotzen“ beschreibt Japan eigentlich perfekt in seiner Gesamtheit. Gebäuse, Sauberkeit, Arbeitsweise. Ganbarimasu…

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